Filesharing-Abmahnwelle

BRAVO! Die Filesharing-Abmahnwelle bricht sich vor Gericht!

Eine der letzten „Modeerscheinungen“ der Abmahnindustrie waren die „Filesharing“-Abmahnungen. Auch bei dieser erwies sich, dass wahre Abmahnwellen – um nicht zu sagen, Abmahntsunamis – dort entstehen, wo folgende Faktoren zusammentreffen:

  • eindeutige Rechteverletzungen, in diesem Fall Urheberrechte (typischerweise an Musik- oder Filmwerken)
  • die massenhaft vorkommen
  • und über das Internet ebenso massenhaft ohne großen Aufwand nachweisbar sind
  • hohe Ähnlichkeit der einzelnen Fälle, so dass der Aufwand für das Erstellen von Abmahnschreiben minimal ist


In der Ausgabe 01/10 der c’t erschien bereits ein sehr instruktiver Artikel zum Thema, in dem aufgezeigt wurde, wie diese Faktoren sich im Fall der Filesharing-Abmahnung zu einer ziemlich unschönen Welle auftürmten. Gerade Sampler- bzw. „Chart Container“-CDs wie die gerade durch zahlreiche Abmahnungen berüchtigte „Bravo Hits 67“ wirken auf die Wellenbildung wie ein Erdbeben mit mehreren Herden, da das Kopieren einer einzigen CD das Kopieren von Dutzenden von Werken verschiedener Urheber bedeutet und somit im Falle einer illegalen Vervielfältigung entsprechend viele Abmahnungen nach sich ziehen kann.

Nicht, dass hier dem rechtswidrigen Verbreiten von urheberrechtlich geschützten Werken das Wort geredet werden soll. Und selbstverständlich gibt es berechtigte Interessen, die ein Rechteinhaber auch völlig legitimerweise verteidigen darf, und wenn nötig auch mit Hilfe eines Anwaltes und per Abmahnung. Wenn aber Verträge zwischen Anwälten und Rechteinhabern geschlossen werden, wonach die Entlohnung des Anwaltes statt nach dem RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) oder nach Zeitaufwand auf der Grundlage des Erfolgs beim Eintreiben von Schadensersatzforderungen gegenüber Rechteverletzern erfolgt, dann ist dies von vornherein standes-, wenn nicht sogar rechtswidrig. Und welcher Rechteinhaber, und sei er auch wirtschaftlich noch so erfolgreich, wird den abmahnenden Anwalt gleich in 1.700 Fällen beauftragen (so wohl die tatsächliche Zahl in einem aktuellen Fall aus unserer Kanzlei), ohne eine derartige Absprache zu treffen? Selbst bei eher unterdurchschnittlich angesetzten Gegenstandswerten wären dann schnell 1 Mio. Euro Gebühren und mehr fällig – und zwar unabhängig vom Erfolg des Anwalts beim Eintreiben des Schadensersatzes, denn erfolgsbasiertes Honorar ist in Deutschland bei Anwälten gesetzwidrig, und zwar aus guten Gründen.

Wer also ein solches Schreiben von den Kollegen Kornmeier & Partner, Bindhardt Fiedler Rixen Zerbe oder Nümann + Lang (um einige der „üblichen Verdächtigen“ in Sachen Filesharing-Abmahnungen zu nennen – es gibt natürlich noch andere Abmahnkanzleien) erhält, sollte sich auf keinen Fall überstürzt auf die dort üblicherweise gemachten „Vergleichsangebote“ einlassen. Ein kürzlich ergangenes Urteil des AG Frankfurt (Urteil vom 29.1.2010, Az. 31 C 1078/09-78) macht Mut:

Zwar sollte, wer tatsächlich ungezogen war und geschützte Werke per Filesharing zum Upload angeboten hat, in sich gehen und entweder aus neuer moralischer Überzeugung das Filesharing-Programm bei sich löschen (bzw. nur noch zum Kopieren urheberrechtsfreier Daten einsetzen) oder sich zumindest davon überzeugen lassen, dass es im Zeitalter relativ perfekter Nachvollziehbarkeit von solchen Tätigkeiten im Internet nicht schlau ist, es darauf ankommen zu lassen. Denn ein Schadensersatz in Form von fiktiven Lizenzgebühren ist allemal fällig, und der liegt schnell jenseits von 100 Euro (im zitierten Urteil wurden 150 Euro angesetzt). Außerdem ist in der Regel die Abgabe einer entsprechenden Unterlassungserklärung geboten (wobei man den vorformulierten Erklärungen, die den Abmahnschreiben beiliegen, keineswegs trauen sollte – schon alleine die üblicherweise genannten 5.001 Euro Vertragsstrafe sind in den meisten Fällen nicht korrekt, weil überhöht).

Der wirklich schmerzhafte Teil einer Abmahnung ist jedoch üblicherweise die Forderung, die Kosten für die Abmahnung zu tragen. Diese Kosten der anwaltlichen Tätigkeit des abmahnenden Anwalts müssen jedoch, zumindest wenn er gleichzeitig ein Abmahnanwalt ist, oft nicht erstattet werden. Denn falls zwischen Anwalt und Rechteinhaber eine abweichende Vereinbarung besteht, z.B. eine pauschale Honorierung oder gar – s.o. – eine erfolgsabhängige, dann kann Schadensersatz auch nur in entsprechender Höhe geltend gemacht werden, und im Falle einer gerichtlichen Klärung auch nur bei Vorlage der entsprechenden Vereinbarung – wovor sich die Abmahnenden und insbesondere ihre Anwälte aber im Regelfall hüten werden.

Dazu kommt, dass oft sogar die Bevollmächtigung zweifelhaft ist. In verschiedenen Fällen, in denen wir den Abgemahnten vertraten, war mal nur von einem von mehreren Miturhebern abgemahnt worden, ohne dass die anderen Miturheber diesen bevollmächtigt hätten, mal war von einem Dritten abgemahnt worden, ohne dass ersichtlich war, dass dieser wirklich berechtigt war, Rechtsverletzungen zu verfolgen.

Unserer Ansicht muss man als Abgemahnter nicht unbedingt selber einen Anwalt beauftragen, um sich zu wehren. Darauf abzielende Ratschläge von Kollegen im Internet dürften interessegeleitet sein. Was aber stimmt, ist dass jeder Einzelfall ein bisschen anders liegt und die Sachlage nicht immer so einfach und eindeutig ist, dass man als juristischer Laie ohne Weiteres damit zurechtkommt. Wem also die obigen Informationen und die zahlreichen anderen Ressourcen im Internet nicht ausreichen, um sich gegen ein Abmahnschreiben zur Wehr zu setzen, oder wer einfach lieber auf Nummer Sicher gehen oder die Sache vom Hals haben möchte, kann sich gerne an uns wenden.

Eine anwaltliche Verteidigung gegen eine Abmahnung muss auch wirtschaftlich sinnvoll sein: In aller Regel gibt es keine Möglichkeit, die eigenen Anwaltskosten gegen den Abmahner geltend zu machen, jedenfalls wenn er wirklich Inhaber der Rechte ist, um die es geht. Bei einer durchschnittlichen Verfahrensgestaltung ist unser Abrechnungsmodell nach Stundenhonorar jedoch so ausgerichtet, dass die Belastung durch die Anwaltskosten nach aller Erfahrung niedriger ist als die Begleichung der von der abmahnenden Seite geforderten Schadensersatzsumme bzw. des Vergleichsvorschlags.

Rechtsanwalt Dr. Otfried Krumpholz

Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

P.S. Auch der Verfasser hat Urheberrechte. Vollständige oder teilweise Übernahme dieses Textes daher bitte nur nach Rücksprache. Ein Link tut’s schließlich auch!

Links zum Thema:

Artikel auf unserer Homepage über Abmahnungen allgemein: Was tun wenn die Abmahnung kommt
Download des oben erwähnten Artikel
Bei Heise findet sich eine kurze Zusammenfassung des Urteils des AG Frankfurt zum Thema Filesharing-Massenabmahnung
…und hier kann man das Urteil im Volltext lesen.
Stand: 23.2.2010